Auf der Hütte – trocken legen und planen
Nach zwei Stunden erreichten wir endlich unser Ziel. Mit trockenen Klamotten und warmen (oder alternativ hopfenhaltigen) Getränken hieß es dann erstmal: Lagebesprechung. Die nächsten Tage waren wettertechnisch ein Glücksspiel, also: flexibel bleiben. Zum Glück hat die Kürsinger Hütte einen großen Ausbildungsraum, ein absoluter Luxus für eine Hochtour bei solchen Wetterbedingungen.
Schlechtwetter? Perfekte Ausbildungszeit
Wir machten das Beste aus dem Grau vor den Fenstern und wiederholten die Inhalte aus unserem Kennenlern- und Vorbereitungstag in Aschaffenburg. Hier hatten wir bereits im Vorfeld für folgende Ausbildungsinhalte trainiert:
● Spaltenbergung
● Selbstrettung
● Anseilen
● Sicherungstechnik
● Materialkunde
Während wir drinnen übten, diskutierten und lachten, regnete und schneite es draußen ohne Ende und wir fragten uns, ob wir in den nächsten Tagen überhaupt noch einen Schritt vor die Hütte wagen könnten. Zur Stärkung (oder vielleicht auch Ablenkung) wurde zwischen den Einheiten Heiße Schoki und Bier getrunken – nicht weniger als die männlichen Kollegen – und leckerer Kuchen gefuttert.
Ausbildung auf dem Gletscher
Zum Glück meinte es das Wetter dann doch noch ein bisschen gut mit uns. Am nächsten Tag hörte es endlich auf zu regnen und für uns ging’s nach gemütlichem Frühstück raus auf die Zunge des Obersulzbachkees, den perfekten Ausbildungsgletscher: breite Spalten und genug Platz, um realistische Szenarien zu üben.
Alle durften einmal Spaltensturzopfer spielen und jede durfte retten, damit wir, im Fall der Fälle, ein gut eingespieltes Team wären. Hier zeigte sich, dass der Vorbereitungstag in Aschaffenburg ein voller Erfolg war, denn schnell waren die nötigen Routinen verinnerlicht. Außerdem übten wir den Seilschaftsaufbau, Pipipausen mit Gurt, Laufen mit Steigeisen und wie man den Pickel so trägt, dass man möglichst sicher unterwegs ist.
Unsere Gipfelstrategie – zweimal umdenken und mit durchgeplanten Pipipausen als erste Seilschaft zum Gipfel
Unsere ursprüngliche Idee: Samstag auf den Großvenediger – Die Realität: Neuschnee, schlechte Bedingungen, viel los
Also trafen wir die vernünftigste Entscheidung: Wir ließen samstags alle anderen Gruppen aufsteigen, sich abmühen und abends ihre heroischen Abenteuergeschichten von Null Sicht und hüfttiefem Schnee erzählen. Unser Plan: sonntags gehen – bei bestem Wetter und ausgetretener Spur
Der Gipfeltag
Am Sonntagmorgen starteten wir vor allen anderen bei perfekten Bedingungen. In den Tagen zuvor hatte ich den Mädels ein Prinzip eingeprägt: Es gibt Pipi- und Essenspausen, aber zu fest definierten Zeiten, um möglichst effizient und schnell voranzukommen. Und so kam es, dass wir fast bis zum Gipfel die führende Seilschaft waren, obwohl sich am Vorabend die eine oder andere noch unsicher war, ob sie die Hochtour ausdauertechnisch überhaupt schaffen würde.
Der Aufstieg lief wie am Schnürchen und die größte Sorge, Spaltenstürze, blieb reine Theorie. Am Gipfel standen wir dann alle gemeinsam: stolz, erleichtert, glücklich – ohne Drama oder abgebrochene Fingernägel ; )
Fazit – warum mich Mädels-Hochtouren so überzeugen
In der Abschlussrunde auf der Hütte wurde ausgesprochen, was sich über die vier Tage längst gezeigt hatte: Frauenseilschaften sind toll : ) Ohne Angst, ohne Druck, ohne dieses subtile Gefühl, jemanden aufhalten zu können, konnten sich alle ausprobieren. Niemand musste sich beweisen und jede konnte ohne Angst Dinge hinterfragen und persönliche Grenzen klar kommunizieren. Wir hatten nicht nur viel Spaß, sondern haben auch jede Menge gelernt und uns gegenseitig motiviert.
Ich freue mich jetzt schon darauf, in den kommenden Jahren weitere Mädels-Hochtouren anzubieten – mit neuen Gesichtern, neuen Geschichten und hoffentlich genauso viel guter Zeit am Berg und auf der Hütte. Denn am Ende geht es genau darum: gemeinsam draußen zu sein und eine richtig gute Zeit zu haben – unabhängig von Wetter, Bedingungen oder Gipfeln.
Bericht: Mona Staab