Beton trifft Biodiversität- Der Kletterpfeiler Waldaschaff als Sportstätte und unerwartetes Biotop

18.12.2025

Wer den Kletterpfeiler Waldaschaff zum ersten Mal sieht, erwartet graue Wände, Haken und Seile – aber sicher keine Naturidylle. Und doch verbirgt sich hier, zwischen zwei 23 Meter hohen Pfeilern, ein kleines Paradies für Tiere und Pflanzen. Was einst als Brückenpfeiler der Kauppenbrücke diente, ist heute nicht nur ein beliebtes Trainings.- und Schulungsgelände für Kletterer, sondern auch ein wertvolles Biotop mit überraschender Artenvielfalt. Ein Ort, an dem Sport und Naturschutz eine spannende Symbiose eingehen.

Seit 2014 dient das Gelände der ehemaligen Brückenpfeiler als Stützpunkt des DAV Aschaffenburg. Die beiden Betonriesen sind umgeben von Wald, einer angrenzenden Wiese und einem kleinen See – eine ungewöhnliche Kombination, die ideale Lebensräume für zahlreiche Tierarten schafft.

Schon am Fuß des Pfeilers beginnt das Leben: Die „Be-Happy“-Gruppe hat hier ein Insektenhotel errichtet, das zahlreichen Wildbienen und anderen Nützlingen einen sicheren Unterschlupf bietet. Ergänzt wird dieses Angebot durch die angrenzende Wiese und das naturbelassene Waldstück, die reichlich Nahrung und Rückzugsräume für die Insekten bereithalten. Die Betonwände des Pfeilers übernehmen dabei eine besondere Rolle: Sie speichern die Wärme der Sonne und bieten den Insekten an kühlen Herbsttagen einen idealen Platz zum Aufwärmen. Besonders im Herbst zeigt sich ein beeindruckendes Schauspiel: Tausende Marienkäfer sammeln sich an den warmen Pfeilerwänden, um die letzten Strahlen des Jahres zu genießen. Wer genau hinsieht, entdeckt ein rotes, lebendiges Mosaik auf grauem Beton – ein Naturphänomen, das man nicht vergisst.

Von dieser Insektenvielfalt profitieren auch die Vögel. Besonders aktiv sind die Meisen: Sie durchstöbern die Mauern wie eine kleine „Putzkolonne“ und halten die Ritzen frei von Larven und Spinnen. Doch der heimliche Star des Geländes ist der Grünspecht. Er fühlt sich hier besonders wohl, denn er findet alles, was er zum Leben braucht – lichte Laubwälder, alte Bäume mit Höhlen und Ameisen, seine Lieblingsspeise. Mit etwas Glück erkennt man ihn nicht nur an seinem markanten Ruf, sondern kann ihn sogar bei der Nahrungssuche beobachten. Für Naturfreunde ist das ein echtes Highlight.

Und nicht nur tagsüber ist der Kletterpfeiler Waldaschaff spannend. Besonders in den frühen Morgenstunden und bei einsetzender Abenddämmerung entfaltet das Gelände seinen ganzen Zauber. Auf der Wiese hinter den Pfeilern lassen sich Rehe oder sogar Wildschweine entdecken. Bei Nebel wirkt dieses Schauspiel fast mystisch. Die Wiese und der angrenzende Wald dienen den Tieren als Rückzugsraum, weit genug entfernt vom Straßenverkehr.

Doch auch ein Blick nach oben lohnt sich: Unter den massiven Abdeckungen der Pfeiler haben Fledermäuse ihre Quartiere bezogen. Diese geschützten Nischen sind für die Tiere überlebenswichtig, denn sie bieten tagsüber Ruheplätze, die in unserer Kulturlandschaft selten geworden sind. Nachts schwärmen die Fledermäuse aus und jagen Insekten – ein weiterer Beweis dafür, wie wertvoll dieses Gelände für die Artenvielfalt ist.

Der Kletterpfeiler Waldaschaff zeigt eindrucksvoll, wie sich Sport und Naturschutz verbinden lassen. Beton, Wald und Wiese bilden zusammen ein einzigartiges Mikrohabitat. Die Anlage vereint Naturerlebnis und Klettern auf besondere Weise: Sport, Weiterbildung und Naturschutz gehen hier Hand in Hand. Vielleicht lohnt es sich, beim nächsten Besuch nicht nur die Griffe zu prüfen, sondern auch die Augen für die kleinen und großen Bewohner dieses besonderen Ortes zu öffnen.

Bericht: Robin Weber